„Die Deutsche aus Jenin“

Auf dem Rückweg von Jenin nach Tiberias musste ich erneut den „Jalame-Checkpoint“ überqueren. Ich nahm ein Taxi von Jenin zum Checkpoint. In Jalame wurde ich sofort von sechs Taxifahrern umringt, die mir erklärten, dass der Checkpoint für Fußgänger noch bis 18 Uhr geschlossen sei. Es war 16.30 Uhr. Na super! Doch wie immer haben Taxifahrer nicht nur die aktuellsten Informationen, sondern auch gleich alternative Vorschläge. Sie gaben mir den Tipp, einfach zu den Autos in der Warteschlange zu gehen und jemanden zu fragen, ob ich im Auto mitfahren könnte um auf diesem Wege den Checkpoint zu überqueren. Ich befolgte den Rat der Taxifahrer und suchte sogleich die Autos nach freundlichen Gesichtern ab. Schließlich fand ich wonach ich suchte. Ein alter dunkelblauer T4 mitsamt Großfamilie – die können ja nur nett sein! Eine Frage, ein Treffer – ich durfte einsteigen. Auf der Rücksitzbank saßen fünf kleine Kinder, die mich mit großen schwarzen Augen beobachteten. Die nächsten 20 Minuten verbrachten wir im Autostau vor dem Checkpoint während ich mich angeregt mit Mahmud, dem Vater der Familie unterhielt. Sie waren arabische Israelis, die in einem kleinen Dorf direkt an der Grenze zur Westbank wohnten und Verwandte in Jenin besucht hatten. Schließlich waren endlich wir an der Reihe.
Eine junge Soldatin fragte Mahmud nach den Pässen. Anschließend lief sie um den VW-Bus herum, öffnete die Schiebetür und fragte mich nach meinem Pass. Außerdem fragte sie mich was ich in Jenin gemacht habe, wie lange ich dort war, ob ich dort jemanden kenne, ob mir jemand etwas mitgegeben hat, ob ich ein Messer oder andere Waffen dabei habe und so weiter. Ich versuchte alle Fragen zu beantworten ohne offensichtlich nervös zu werden. Schließlich hatte sie wohl alle Informationen die sie brauchte, nahm unsere Pässe und übergab sie einem anderen Soldaten zur Kontrolle. Mahmud bekam die Anweisung auf einen der Parkplätze auf der linken Seite zu fahren. Einige Minuten später erfuhren wir, dass wir noch auf einen Sonderparkplatz fahren mussten. Oh nein! Ich wurde das Gefühl nicht los, dass es an mir lag. Als ich hörte wie die Soldatin zu einer Kollegin sagte „… Germanja … Jenin …“ wurde meine Vermutung bestätigt, es lag tatsächlich an mir. Sonderparkplatz bedeutet: Alles raus!
Die Kinder holten drei Einkaufswägen, das gesamte Auto wurde ausgeräumt, der Inhalt in die Wägen geladen und zu einem kleinen Häuschen gefahren. In dem Häuschen befand sich eine Sicherheitsschleuse. Alle Gepäckstücke und Jacken, das Obst, die Pita-Brote und die Cola-Flaschen wurden auf das Fließband gelegt und geröntgt. Ein Soldat erklärte mir, dass ich alle elektronischen Geräte und alle Bücher auspacken müsste. Ich packte also meinen Laptop, meine Kamera, mein Handy und alle zugehörigen Ladekabel aus und legte sie in einen separaten Behälter. Während dem Auspacken fiel mir ein, dass ich ein kleines Taschenmesser in meiner Bauchtasche hatte. Ich hatte es am Anfang nicht erwähnt, weil ich nicht damit gerechnet hatte, dass sie mich durchsuchen würden. Sie fanden es nicht, zumindest sagten sie nichts. Puuh!
Am Ende der Prozedur bekamen wir auch endlich unsere Pässe zurück, ich konnte wieder in den VW-Bus einsteigen und Mahmud brachte mich zur nächsten Bushaltestelle. Ich entschuldigte mich unzählige Male bei der Familie für die Umstände die ich ihnen bereitet hatte. Es war so nett von ihnen, dass sie mich mitgenommen hatten und es tat mir wirklich leid. Ich glaube aber sie nahmen es gelassen.
Manchmal hoffe ich, dass man sich wirklich immer zweimal im Leben begegnet!

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